Gut gelaunt stapft Weihnachtsmann Klaus in die Geschenkewerkstatt, die direkt hinter seinem Haus am Nordpol 1 liegt. Die Elfen arbeiten bereits fleißig – schließlich ist es schon Mitte September und um diese Jahreszeit flattern bereits täglich zahlreiche Wunschzettel ins Weihnachtspostamt. Zuversichtlich betrachtet Klaus die neuen Posteingänge auf seinem XmasBook. Anfangs haben sich die Elfen noch gegen die elektronische Postannahme gewehrt, aber mittlerweile läuft alles wie am Schnürchen. Nach mehr als 150 Dienstjahren war der erste leise Schritt in Richtung Digitalisierung auch bitter nötig, denn Klaus musste immer häufiger feststellen, dass sich die Kinder nicht nur immer mehr wünschten, sondern ihre Wünsche auch immer öfter plötzlich wieder änderten. Dazu kamen dann auch noch die häufigen Wechsel der Aufenthaltsorte und die spontanen Reisen zu den Weihnachtsfeiertagen. Kein Wunder, dass das Team gelegentlich den Überblick verlor und die Überstundenliste der gesamten Weihnachts-GmbH in den vergangenen Saisonen immer länger wurde. Für die zentrale Verwaltung der Wunschzettel-Daten muss sich Klaus daher unbedingt noch etwas einfallen lassen …

Das Läuten der Weihnachtsglocke reißt Klaus aus seinen Gedanken. Er öffnet die Tür, vor der er einen keuchenden Knecht Ruprecht vorfindet. „Weihnachtsmann Klaus, ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Dein neuer Schlitten wurde soeben geliefert!“ Klaus lugt in die weiße Winterlandschaft, kann aber keinen neuen Schlitten entdecken. Dort, wo sonst Rudolph mit Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Dunder und Blixem auf ihn wartet, sieht er bloß ein silbern glänzendes Objekt. „Die da oben haben ihn geschickt. Dein Schlitten für die neue Saison. Er heißt Tekla XAE-12.“

Klaus starrt das Gefährt ungläubig an. „Das soll mein neuer Schlitten sein? Und wo soll ich da das Zaumzeug für Rudolph und die anderen Rentiere befestigen?“ „Das brauchst du nicht mehr. Die da oben nennen das Autopilot. Du kannst dich also auf deinen Flügen entspannt zurücklehnen und ein Nickerchen machen. Allerdings musst du in der Übergangsphase noch ein bisschen selbst steuern. Bis die Technik ganz ausgereift ist, wird es wohl noch eine Weile dauern.“ „Wie bitte? Das soll doch wohl ein Witz sein. Ich bin der Weihnachtsmann und kein Versuchskaninchen. Und der Weihnachtsmann fliegt einen Rentierschlitten. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben“, wettert Klaus.

Ruprecht wagt einen neuen Versuch: „Die da oben meinen, es ist höchste Zeit für einen Imagewechsel.“ „Und deshalb soll ich mit diesem Tekla XY Ufo von Haus zu Haus fliegen? Das ist doch Schwachsinn! Und was ist, wenn das Aufladen dieses Hightech-Dings nicht klappt und ich zu spät komme oder gar abstürze? Lieferst du dann die Geschenke aus? Davon hast du doch absolut keine Ahnung!“, tobt der Weihnachtsmann. Als er Ruprechts verzweifelten Gesichtsausdruck sieht, tut ihm sein Ausbruch leid. Er bittet ihn in sein Besprechungszimmer, um bei einer Tasse Gewürztee zu erörtern, wie sie mit der Schlittensituation umgehen sollen. Doch es sollte noch schlimmer kommen…

Als sich Klaus wieder etwas beruhigt hat, erzählt ihm Ruprecht von den gewaltigen Umstrukturierungsplänen, mit denen die da oben in den nächsten Jahren das Weihnachtsgeschäft komplett digitalisieren wollen. „Alles soll schneller, flexibler, smarter, besser werden“, stöhnt Ruprecht. „Wenn wir unsere Jobs behalten wollen, müssen wir uns auf einen radikalen Change einlassen. Noch kurzfristigere Bestellungen sind vermutlich erst der Anfang – enden könnte das Ganze mit unbemannten Schlitten und rein virtuellen Auftritten unterm Weihnachtsbaum.“
Klaus denkt angestrengt nach und trommelt dabei rhythmisch mit den Fingern auf die Tischplatte. Sie mussten denen da oben zuvorkommen und einen umfassenden Plan entwickeln, der sowohl die Digitalisierung einleitete, als auch den Zauber des Weihnachtsfestes und ihre Jobs bewahrte. Und er wusste auch schon, wer ihnen dabei helfen konnte.

Zum nächsten Geheimtreffen mit Knecht Ruprecht lud Klaus seinen guten Freund Petrus ein. Er war bestens mit denen da oben vernetzt und gleichzeitig ein treuer Gefährte, dem er vertrauen konnte. Von ihm würden sie bestimmt noch mehr Informationen über die geplante Digital Transformation bekommen. „Ich weiß leider gar nichts“, beteuert Petrus. „Ich wurde gestern ohne Vorwarnung ins Home-Office geschickt. Ein persönlicher Check an der Himmelspforte ist dank Fingerprint offenbar nicht mehr nötig. Und mit den neuen Smart Glasses von Fakebook findet sich angeblich jeder alleine im Himmel zurecht. Ob das den sozialen Austausch und Zusammenhalt unter den Engeln fördert, wage ich allerdings noch zu bezweifeln. Aber ich habe noch ein Ass im Ärmel“, macht Petrus seinen Freunden Hoffnung. „Ich kann auch aus meinem Home-Office auf die SkyCloud zugreifen!“

So erfuhren Klaus und Ruprecht, dass die da oben bereits seit mehreren Jahren alle Wunschzettel und die dazugehörigen Adressen in der SkyCloud speichern. „Sie nennen das Big Data und behaupten, damit das Weihnachtsfest revolutionieren zu können. Aber dafür brauchen sie jede Menge Server. Bis diese himmlische Infrastruktur steht, wird es sicher noch Wochen, wenn nicht Monate dauern“, prophezeit Petrus. „Und dann sind da noch die Datenschutzgesetze, die derzeit großes Kopfzerbrechen bereiten. Bis die von unserem Schöpfer abgesegnet sind, vergehen mindestens noch zwei Weihnachtsfeste.“

Klaus und Ruprecht sind erleichtert, sie haben noch Zeit – allerdings müssen sie sich ranhalten, um den Vorsprung, den die da oben bereits haben, aufzuholen. Dafür brauchen sie unbedingt neuen Team-Support. Am besten einen Digital Native, der ihnen dabei hilft, das analoge Geschäftsmodell von Weihnachten möglichst smart in die virtuelle Welt zu transformieren. Doch wo sollen sie so jemanden finden?
Aufgeregt stürzen die beiden ins Personalbüro und beginnen, die Aktenschränke zu durchwühlen und die Lebensläufe der Mitarbeiter der Weihnachts-GmbH auf ihre Special Skills hin zu überprüfen. Wie schön wäre es, wenn Klaus all diese Informationen schon auf seinem XmasBook abrufen könnte. Mit ein bisschen Glück wird sich dieser Wunsch aber bestimmt schon bald erfüllen. Sie müssen nur noch den richtigen Millennial für den Digitalisierungsjob finden. 

Als bereits hunderte Bewerbungsbögen wild verstreut auf dem Boden liegen und der Weihnachtsmann mehr Papercuts als Haare auf den Fingern hat, ruft Knecht Ruprecht: „Jackpot! Marie, 28, aus Elfenhausen, abgeschlossenes Wirtschafts- und Xmas-Marketing-Studium in Harpvard. Besondere Kenntnisse: SEO, SEM, Textpress, Pictureshop. Special Skills: Public Speaking und Influencer Relations.“ Klaus und Ruprecht stürmen aus dem Personalbüro. Um das Papierchaos soll sich später jemand anderes kümmern. Im besten Fall gleich Marie. 

Außer Atem zwängen sich Klaus und Ruprecht durch das kleine Tor, das zum Lager der Geschenkewerkstatt  führt. Im Zuge der Umstrukturierung sollten sie auch gleich über eine Renovierung der Räumlichkeiten nachdenken und die elfenkleinen Türen etwas vergrößern, überlegt der Weihnachtsmann. Lange genug hat er sich nun durch diese Miniaturgänge gezwängt.
Von der Eingangsempore aus beobachten die beiden, wie die fleißigen Elfen im Jingle-Bells-Rhythmus Geschenke sortieren, Geschenkpapier zuschneiden, Geschenke verpacken und schließlich zur Schlittenstation bringen.
„Der Schlitten …“  Beim Gedanken an seinen neuen Tekla XAE-12 Schlitten wird Klaus sofort wieder unruhig. Doch von diesem absurd aussehenden Flugobjekt darf er sich jetzt nicht aus der Ruhe bringen lassen. 
Es dauert nicht lange, bis Klaus und Ruprecht Marie im PlayNation-Bereich entdecken. Mit ihren kabellosen CarePods, der blinkenden MapelWatch und dem lässig crossbody getragenen Smartphone war die techaffine Elfin unter ihren Kolleginnen und Kollegen schließlich nicht schwer auszumachen.

„BlueFriday und VirtualMonday sind in den letzten Jahren durch zahlreiche virale Stories immer stärker geworden und laufen uns schön langsam den Rang ab. Die da oben wissen das und versuchen nun gegenzusteuern. Wir müssen daher ein Konzept entwickeln, um die Generation Y und Z wieder emotional an Weihnachten zu binden. Außerdem müssen wir uns überlegen, wie wir mit der Schnelligkeit und Flexibilität von Mamazon mithalten können. Mamazon CRIME liefert mittlerweile innerhalb von 24 Stunden“, sprudelt es aus Marie heraus. Ruprecht und Klaus blicken die junge Elfendame mit großen Augen an. Und obwohl sie kein Wort von dem verstehen, was sie sagt, animieren sie sie mit zustimmendem Kopfnicken weiterzureden.

„Fakebook, InstaFram, TikTak – wir müssen die Data Intelligence der sozialen Plattformen nutzen, uns mit den Kids und Teens vernetzen und sie möglichst interaktiv in unsere Prozesse einbinden, um frühzeitig auf ihre Interessen und Bedürfnisse schließen und Geschenke predictive vorproduzieren zu können.“ Marie ist in ihrem Element und strahlt Klaus und Ruprecht erwartungsvoll an. „Die jungen Leute teilen online mehr oder weniger bereitwillig ihr ganzes Leben. Wir können diese Daten nutzen, um unsere Produktion besser zu steuern, unsere Lager besser zu bewirtschaften und rechtzeitig notwendige Beschaffungen auszulösen.“ Klaus und Ruprecht haben genug gehört. Ohne lange zu überlegen, eilen die beiden zurück ins Personalbüro.

Weihnachtsmann Klaus und Knecht Ruprecht wollen den Deal so schnell wie möglich über die Bühne bringen und Marie einen Vertrag als Projektmanagerin anbieten – und zwar noch bevor die da oben Wind von ihrem Digital Talent bekommen. Mit spitzen Fingern tippt Klaus langsam auf der Tastatur seines XmasBooks. Immer wieder kreisen seine Zeigefinger suchend über dem Keyboard. „Wo ist denn bloß dieses @-Zeichen?“ „Gib das her“, seufzt Ruprecht, schnappt sich das XmasBook und beginnt in perfektem Zehnfingersystem den neuen Vertrag für Marie aufzusetzen. Klaus ist beeindruckt. Ruprecht zuckt lässig mit den Schultern: „Hab ich mir für den himmlischen Einstufungstest angeeignet. Das solltest du allerdings wissen – steht in meinem Lebenslauf unter Special Skills.“

Klaus und Ruprecht treffen Marie am Schlittenparkplatz. Der Weihnachtsmann rümpft die Nase: „Schaff mir doch bitte endlich dieses grässlich moderne Ungetüm aus den Augen, Ruprecht.“ Marie kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, gibt Tech-Muffel Klaus aber schließlich Rückendeckung: „Wie der Tekla XAE-12 Rudolph und seine Rentier-Gang ersetzen soll, ist mir ehrlich gesagt auch ein Rätsel. Die Reichweite ist zwar mittlerweile ganz ordentlich, aber der Mangel an Ladestationen ist ein echtes Problem – vor allem, weil man sich mit dem Tekla XAE-12 nicht an öffentliche Säulen hängen kann. Hier muss ein passender Adapter bestellt werden. Ob man damit an Heiligabend rechtzeitig um den Erdball kommt, wage ich daher aktuell zu bezweifeln.“

Stolz, eine so versierte Elfendame im Team zu haben, wippt der Weihnachtsmann freudig von den Fersen auf die Zehenspitzen und überreicht Marie dabei ihren neuen Dienstvertrag. „Herzlichen Glückwunsch, ab sofort bist du unsere Digitalisierungsbeauftragte. Wir freuen uns auf deinen Konzeptentwurf zur digitalen Xmas-Transformation.“ Marie nimmt das Gedruckte entgegen und will sich bereits auf den Weg in ihr neues Office machen, als Klaus sie zurückhält. „Warte kurz, ich habe noch eine Bitte.“ Verlegen zupft der Weihnachtsmann an der Jacke seines Anzugs. Der breite schwarze Gürtel mit der großen goldenen Schnalle, der sich straff über seine Körpermitte spannt, ist bereits am letzten Loch geschlossen. Zwischen Gürtel und Jacke hat sich ein kleiner Spalt gebildet, aus dem jetzt Klaus‘ weißes Rippunterhemd hervorblitzt. „Seit mehr als einem Jahrhundert zwänge ich mich an Heiligabend durch Hunderttausende von Schornsteinen. Die Tatsache, dass unter fast jedem Weihnachtsbaum ein Glas Milch und ein Teller mit süßen Plätzchen auf mich warten, hat schließlich dazu geführt, dass ich immer weniger Platz in den engen Schloten habe. Letzte Saison bin ich sogar einmal stecken geblieben. Rudi musste mich an seinem Zaumzeug herausziehen“. Klaus klopft sich verlegen auf den Bauch. „Hast du vielleicht eine Idee, wie wir diesen Zustellprozess optimieren können?“ 

Elfendame Marie nickt Weihnachtsmann Klaus beruhigend zu: „Ich sag nur eins: Lieferdrohnen.“ „L i e f e r d r o h n e n .“ Klaus wiederholt das Wort betont langsam. Weihnachten, wie er es kannte, würde es in Zukunft wohl wirklich nicht mehr geben. Aber mit Marie im Team hatten sie zumindest die Chance, diese Zukunft aktiv mitzugestalten.
Mit Knecht Ruprecht an seiner Seite stapft Klaus durch den knisternden Schnee Richtung Norden. Sie müssen Petrus in die aktuellen Entwicklungen einweihen. Ab morgen werden sie dann das Daily Stand-up Meeting einführen, von dem Marie gesprochen hat. Ob sie dafür eines dieser aufblasbaren Wasserboards brauchen, die in den letzten Jahren immer häufiger auf den Wunschzetteln auftauchen? Sie werden es früh genug erfahren.

Good news!“ Marie hat ein siegreiches Lächeln auf den Lippen. „Ich habe einen genialen Deal mit Mamazon ausgehandelt. Alle Wünsche, die last Minute am 24. Dezember eintrudeln, werden ab dieser Saison von Mamazon CRIME ausgeliefert. Und das Beste: Es kostet uns keinen einzigen XmasCent.“ Weihnachtsmann Klaus, Knecht Ruprecht und Petrus werfen sich ungläubige Blicke zu. „CEO Sepp Kezos will sein ramponiertes Image aufpolieren und ist sich sicher, dass ihm der Support des Weihnachtsmannes dabei helfen wird.“ Die von Marie erwartete Lobeshymne wird von Petrus jäh unterbrochen …

„Ich habe mich auch ein bisschen schlau gemacht.“ Petrus tippt vielversprechend auf seinem XmasPad und öffnet www.pitchitlikegabriel.sky. „Gabriel ist einer meiner smartesten Engel. In den Osterferien hat er sich still und heimlich zum Virtual Sales Trainerausbilden lassen. Als offizieller `Erklärer von Visionen´ war es seiner Meinung nach an der Zeit, etwas über den göttlichen Tellerrand hinauszublicken.“ Wieder versteht Klaus nur Bahnhof. „Gabriel hat angeboten, deine Weihnachtselfen für den Onlinevertrieb fit zu machen. Das spart viel Zeit und Geld und du musst nicht mehr zu allen Terminen persönlich hinfliegen.“
Weihnachtsmann Klaus entfährt ein freudiges „Ho-ho-ho!“. „Das wäre natürlich eine große Erleichterung. Außerdem könnten Rudi und die Rentier-Gang dann endlich die unzähligen Überstunden abbauen. Und ich könnte vielleicht sogar mal ein verlängertes Weihnachtswochenende mit Frau Klaus genießen. Im Moment verbringe ich mehr Zeit in der Luft als am Nordpol.“ Der Weihnachtsmann ist begeistert. Wenn sein Team so weitermacht, können sie denen da oben noch vor dem 24. Dezember ein weihnachtliches Cyberkonzept vorlegen.

Um ab sofort schneller und flexibler in der Produktion agieren zu können, hat Marie für ihre Elfen-Kollegen einen 3D-Drucker besorgt. „Ein Geschenk von Sepp Kezos. Ist gestern mit Mamazon CRIME eingetrudelt“, zwinkert die Elfin keck beim Daily Stand-up. „Das soll jedoch kein Freifahrtschein für faule Elfen sein. Handwerk soll Handwerk bleiben“, ordnet Weihnachtsmann Klaus freundlich, aber bestimmt an.
Engel Gabriel hat indessen einen Presentfinder-Chatbot namens Nick eingerichtet, der den Elfen und anderen heimlichen Helfern des Weihnachtsmanns Tipps für das passende Weihnachtsgeschenk geben und auch Unsicherheiten beim Wunschzettelschreiben nehmen soll. „Außerdem arbeite ich gerade an einer Wichtel-App, mit der man Geschenke konfigurieren, Wunschlisten anlegen und Wünsche an den Weihnachtsmann schicken kann. Die Sache hat allerdings einen Haken …“

Gabriel kaute nervös an seinen Fingernägeln. Schlechte Nachrichten zu überbringen, lag überhaupt nicht in seiner Natur. Das war eine Aufgabe, die normalerweise die Kobolde für ihn erledigten. Doch es war keiner in Sichtweite, an den er seine bad news hätte abtreten können. Mit zappeligen Bewegungen verknotete er seine Finger. „Für die Entwicklung der Wichtel-App benötigen wir eine Seed-Finanzierung von mindestens 100.000 XmasDollar. Wenn wir dann auch noch unseren Algorithmus verbessern und den Rollout in neue Märkte wie Thanksgiving und Valentinstag in Angriff nehmen möchten, benötigen wir noch einmal mindestens 300.000 XmasDollar.“ 

BÄM! Weihnachtsmann Klaus, Knecht Ruprecht, Himmelspförtner Petrus und Elfin Marie haben mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Marie ist die erste, die ihre Sprache wiederfindet. „Dann müssen wir eben eine raketenstarke Präsentation vorbereiten und unser Konzept so gut pitchen, dass die da oben gar nicht anders können, als unsere Idee zu finanzieren.“ Aus Ruprechts Gesicht weicht jeglicher Enthusiasmus: „Und wie sollen wir das anstellen? Dass die da oben 400.000 XmasDollar locker machen, ist utopisch. So gut kann eine Präsentation doch gar nicht sein.“ „Ich kenne da ein Start-up, das uns mit dem Pitch helfen könnte. Überlasst das ruhig mir“, zeigt sich Marie zuversichtlich, schnallt sich ihre kurzen Speedski an, stapft damit zum Schlittenparkplatz und flitzt von dort Richtung Süden zum weihnachtlichen Innovationszentrum. 

Als Marie in die Geschenkewerkstatt zurückkommt, ist es totenstill. Keiner ihrer Elfenkollegen ist an seinem Arbeitsplatz. Dennoch schallen fröhliche Jingle-Bells-Klänge durch die Produktionsstätte, die in strahlendem Sternenglanz erstrahlt. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ober-Elf Findus würde seine heiligen Hallen niemals einfach so verlassen. Marie durchsucht alle Räume. Weder in der Paketbandkammer, noch im Geschenkpapierlager kann sie jemanden entdecken. Plötzlich hört sie, wie aufgeregte Stimmen aus dem Pausenraum dringen.
Preloved Presents sind DAS neue Ding. Nachhaltiger kann man einfach nicht schenken!“ Marie traute ihren Augen nicht. Der sonst eher schüchterne Findus war auf einen Tisch geklettert, um vor versammelter Mannschaft eine emotionale Sustainability-Rede zu halten. Immer wieder legt er beide Hände auf seine linke Brust und erinnert daran, dass es an Weihnachten vor allem auch um Nächstenliebe geht. „Und damit meine ich nicht nur alle Mitmenschen, sondern vor allem auch den wunderschönen Planeten Erde. Denn wenn wir den nicht schützen, dann wird es auch kein Weihnachten mehr geben.“ Die Elfenschar applaudiert. „Ich habe Kontakte zu Cbay und willbesitzen“, ruft plötzlich ein neuer Kollege, den Marie noch nie gesehen hat, aus der Menge. „Mit einer PrelovedPresents-Kooperation dieser Big Player könnten wir die nächste Generation von Weihnachten einläuten“, verkündet der Neue, während die Elfen erneut in Jubel ausbrechen. 

Marie verlor keine Zeit und eilte schnurstracks durch die verwinkelten Gänge zum Besprechungsraum des Xmas-Digitalisierungsteams. Sie musste Klaus, Ruprecht, Petrus und Gabriel sofort von der genialen Idee von Findus und den Elfen berichten. Mit einem Ruck öffnet Marie die schwere Holztür, die in den Besprechungsraum führt. Dort sieht sie ihre vier Kollegen gebannt rund um das XmasBook des Weihnachtsmanns sitzen. Sie haben die Videokonferenz-App Boom geöffnet und beenden gerade ihr Gespräch mit der Marketing-Chefin von CocaRola, die sich mit schriller Stimme überschwänglich bedankt: „Wir freuen uns sehr, Sie bei Ihrer digitalen Transformation begleiten zu können und die Welt mit einer neuen Weihnachtsmann-Kampagne zu verzaubern. Und machen Sie sich wegen der 400.000 XmasDollar keine Sorgen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir Ihnen hier als Investor ein wenig unter die Engelsflügel greifen können. Das Einzige, was ich jetzt noch brauche, ist eine Präsentation mit allen notwendigen Informationen, die ich an meine Vorgesetzten weiterleiten kann.“ 

„Schon erledigt!“, frohlockt Marie, nachdem Weihnachtsmann Klaus, Ruprecht, Petrus und Gabriel das Boom-Gespräch mit der Dame von CocaRola beendet haben. „Was ist erledigt?“ „Die Präsentation! Ich hab sie hier auf meinem XmasPhone.“ Stolz hält ihnen Marie ihr Smartphone entgegen. „Ich hab doch gesagt, dass ich ein Start-up kenne, das uns helfen kann. Zusammen mit dem Team von pretono habe ich im weihnachtlichen Innovationszentrum das perfekte Pitchdeck erstellt. Und das Beste: Wir können es über einen interaktiven Link an CocaRola senden und ihr individuelles Klickverhalten anschließend detailliert auswerten!“
Der Weihnachtsmann versteht zwar wieder nur Bahnhof, spürt aber im selben Moment, dass sie gerade einen entscheidenden Schritt in ihrer Digital Xmas-Transformation gemacht haben. „Da bleibt mir nur noch eines zu sagen: Fröööhliche Weihnachten!“

Hier Teil 2 lesen: „Der Weihnachtsmann und das Metaverse“

Hier Teil 3 lesen: „Der Weihnachtsmann und die KI“