Alle freuten sich auf Weihnachten. Nur einer nicht: der kleine grummelige Stern. Während alle Sterne ihre Spitzen putzten, damit sie in der besinnlichen Zeit des Jahres in ihrer vollen Strahlkraft funkeln konnten, versteckte sich der kleine grummelige Stern am liebsten hinter dichten Wolkenzipfeln. Er hatte keine Lust, seine ganze Energie für dieses eine Fest zu verschwenden. Das Christkind sollte mit seinem Engelsstaub selbst für ein funkelndes Festzelt sorgen. Er wollte seine Leuchtkraft lieber aufsparen. Hier oben am Himmelszelt war es ohnehin viel zu hell. Alle versuchten, sich gegenseitig mit ihrem Glanz zu übertrumpfen. Was für ein Quatsch. Also suchte er sich die dickste Wolkendecke, die er finden konnte und deckte sich bis zur Nasenspitze damit zu. Hier würde er bleiben und warten, bis dieser weihnachtliche Unsinn vorüber war.
„Hey, kleiner Stern!“ Irgendjemand zupfte an der Wolkendecke, doch der kleine Stern dachte gar nicht daran, sich zu zeigen. „Bitte komm raus! Mein Licht ist kaputt und ich bräuchte ein bisschen Strahlkraft, damit ich scharfe Wetteraufnahmen von der Erde machen kann. Die Kinder wollen wissen, ob es dieses Jahr weiße Weihnachten geben wird.“ Es war der kleine Satellit, der nun in Windeseile um den kleinen grummeligen Stern kreiste. „Was für ein Unsinn! Und jetzt hör auf so schnell um mich zu kreisen, bevor ich dich mit einem Sternenschubs wieder in deine Umlaufbahn zurückbefördere.“ Der kleine Stern zog noch fester an seiner Wolkendecke und war sofort wieder darunter verschwunden. „Wetteraufnahmen – der hat doch nicht mehr alle Antennen auf Empfang.“
Der kleine grummelige Stern war gerade dabei, ein wenig Sternenglanz einzusammeln, den er durch das Herumwirbeln des kleinen Satelliten verloren hatte, als es hinter seiner Wolkendecke plötzlich himmelhell wurde. Es war der Mond, der sich heimlich, still und leise an den kleinen grummeligen Stern herangeschlichen hatte. „Was willst du denn hier?“ Der kleine grummelige Stern kniff seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Er mochte den Mond nicht besonders gerne. Er war einfach viel zu groß und viel zu hell. „Es ist so einsam hier oben am Nachthimmel. Die Sterne haben kurz vor Weihnachten alle so viel zu tun, aber du scheinst nichts vorzuhaben. Wollen wir ein bisschen plaudern und uns gegenseitig Geschichten erzählen?“ „Was für ein astronomischer Unsinn. Kann man nicht einfach seine Ruhe haben?“ Ohne ein weiteres Wort schlüpfte der kleine grummelige Stern noch tiefer in seine Wolkendecke. „Geschichten erzählen – der hat wohl einen Vollmond zu viel gesehen!“
Der kleine gummelige Stern hatte sich gerade wieder bis zur Nasenspitze zugedeckt, als ein frostiger Windstoß beinah seine Wolkendecke weggefegt hätte. Woher kam denn auf einmal diese Eiszapfenkälte? Krampfhaft klammerte er sich an seine Wolkenzipfel. „Bist du das, Frau Holle? Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf dein Eis- und Schneegestöber.“ Mit hochgezogenen Nasenflügeln und fuchtelnden Armen versuchte der kleine grummelige Stern das schneidende Winterklirren zu vertreiben. „Nein, nein, wir sind’s – die Nordlichter Aurora und Borealis.“ Der kleine grummelige Stern legte den Kopf schräg zur Seite und blinzelte in die Dunkelheit. Aber so sehr er sich auch anstrengte, er konnte niemanden entdecken. „So ein Quatsch. Soll das ein Weihnachtsscherz sein? Hier ist niemand!“ „Hier drüben, du erkennst uns am grün-roten Licht.“ Dieses schwache Flackern sollen Nordlichter sein? Pah, der kleine grummelige Stern konnte kaum etwas erkennen. Er hatte immer gedacht, Nordlichter seien grell leuchtende Himmelswunder. Was für eine Enttäuschung. „Wir brauchen deine Hilfe! Auf der Erde hat sich ein kleines Mädchen verlaufen. Es findet den Weg nach Hause nicht mehr. Kannst du ihm mit deinem Licht den Weg zeigen? Unser Licht ist leider viel zu schwach, die anderen Sterne sind alle beschäftigt und der Mond schmollt am anderen Ende der Milchstraße.“ „Was für ein supergalaktischer Unsinn! Von wegen Weihnachtsfrieden. Lasst mich doch endlich alle in Ruhe!“ Und damit war der kleine grummelige Stern auch schon wieder unter seiner Wolkendecke verschwunden. „Einem Mädchen den Weg zeigen – die haben doch nicht mehr alle Farben im Spektrum!“
Der kleine grummelige Stern zog seine Wolkendecke wieder bis unter die Nasenspitze und versuchte, sich zu entspannen. Doch es wollte ihm nicht so recht gelingen. Plötzlich hatte er dieses mulmige Gefühl im Bauch. Irgendetwas schien nicht zu stimmen. Er kontrollierte seinen Sternenglanz-Vorrat, aber alles war da, bis auf den letzten Funken. Er zählte seine Sternenstrahlen und auch die waren vollzählig. Was konnte sonst noch fehlen? Er hatte doch an alles gedacht. Da dämmerte es ihm schlagartig: Was, wenn das kleine Mädchen tatsächlich nicht mehr nach Hause findet? Das wäre eine Katastrophe! Oh nein, wie konnte er nur so herzlos sein? Er musste dem kleinen Mädchen helfen!
In Windeseile befreite er sich von seiner Wolkendecke, holte seinen ganzen Vorrat an Sternenlicht hervor und schickte das hellste Sternenlicht, das die Milchstraße je verlassen hatte, zur Erde. Alarmiert von dessen Leuchtkraft kamen ihm sofort die anderen Sterne und Polarlichter zu Hilfe und auch der Mond wagte sich wieder aus seinem Versteck. Gemeinsam bündelten sie ihr Himmelslicht und leuchteten dem kleinen Mädchen den Weg.
Als das kleine Mädchen wohlbehalten zu Hause angekommen und seinen Eltern glücklich in die Arme gefallen war, wurde es am nachtblauen Himmel plötzlich ohrenbetäubend laut. Die Sterne, der Mond und die Polarlichter flitzten alle jubelnd zum kleinen grummeligen Stern, um ihm zu gratulieren. Doch der wippte nur verlegen von einer Sternenspitze zur anderen. „Es tut mir leid, dass ich immer so gemein zu euch allen war“, murmelte der kleine grummelige Stern und schaute betroffen auf seine schimmernden Sternenstrahlen. „Ich wollte einfach meine Ruhe haben und dachte, ich hätte mit dem ganzen Weihnachtskram nichts zu tun.“
„Es ist nie zu spät, etwas Gutes zu tun, kleiner Stern“, der Mond lächelte ihn sanft und freundlich an. „Dein Licht hat das Mädchen nach Hause gebracht, und das ist der wahre Zauber von Weihnachten – für andere da zu sein.“ „Und weißt du was?“, riefen Aurora und Borealis. „Deine Hilfe hat uns alle inspiriert! Auch wenn wir nur schwach leuchten oder manchmal keine Lust haben – gemeinsam können wir Großes bewirken.“
Der kleine Stern blickte auf das leuchtende Sternenzelt, das jetzt heller als je zuvor erstrahlte.„Vielleicht … ja, vielleicht war es gar nicht so schlimm, jemandem zu helfen“, murmelte der kleine grummelige Stern leise. „Es hat sich sogar ein bisschen gut angefühlt.“ Die anderen lachten herzlich und der kleine gurmmelige Stern merkte, dass das mulmige Gefühl in seinem Bauch einem warmen, zufriedenen Kribbeln gewichen war.