Kling. Klang. Klong. Jeden Tag, pünktlich um zwölf Uhr mittags, spielte das Glockenspiel in Klingelbach eine fröhliche Weihnachtsmelodie. Die kleine Glocke bemühte sich, besonders hell und klar zu klingen. Sie war an diesem Weihnachtsfest zum ersten Mal im Einsatz und wollte einen guten Eindruck hinterlassen. Kling. Klang. Klong. Die kleine Glocke freute sich. Sie traf wirklich jeden Ton und auch die anderen Glocken waren begeistert.
Zwei Tage vor Weihnachten stimmte das Glockenspiel wieder pünktlich um zwölf Uhr die Weihnachtsmelodie an. Kling. Klang. Wrummm. Erschrocken verstummte die kleine Glocke. Wo kam denn plötzlich nur dieser dumpfe Ton her? Doch die anderen Glocken und auch die Zuhörer, die gebannt auf dem Klingelbacher Dorfplatz lauschten, schienen es nicht zu merken. Also spielte die kleine Glocke weiter. „Das konnte doch niemand überhören?“, wunderte sich die kleine Glocke. Eine, die es hörte, war die Glocke des benachbarten Kirchturms. „Oje, die kleine Glocke wird doch wohl nicht erwachsen werden?“, überlegte die große Glocke. Der dumpfe Klang kam ihr bekannt vor. Als sie selbst erwachsen wurde, war es ihr ähnlich ergangen. Ihr Klang veränderte sich. Anfangs klang sie noch etwas schief, aber mit etwas Übung konnte sie nach kurzer Zeit in fast jeder Tonlage klingen.
Die große Glocke wollte der kleinen Glocke helfen und spielte am nächsten Tag einfach ein wenig für die kleine Glocke mit. Diesmal war auch der Glockenbauer auf dem Dorfplatz und lauschte dem fröhlichen Glockenspiel. Seine geschulten Ohren hörten sofort, dass mit der kleinen Glocke etwas nicht stimmte. Kling. Klang. Wrummm. Der Glockenbauer kletterte die hölzerne Wendeltreppe zum Glockenspiel empor. Geschickt entfernte er die kleine Glocke und nahm sie mit in seine Werkstatt. Als er sie dort unter die Lupe nahm, entdeckte er einen hauchdünnen Riss. „Das ist also der Grund für den schiefen Ton“, freute sich der Glockenbauer, das Problem entdeckt zu haben. Es war allerdings bereits einen Tag vor Weihnachten – jetzt musste er sich mit der Reparatur beeilen. Schließlich sollte das Glockenspiel die Menschen am Weihnachtstag wieder mit seiner fröhlichen Melodie erfreuen. Also arbeitete er ohne Unterlass, gönnte sich keine einzige Pause. Am nächsten Tag um kurz vor Mittag war der Glockenbauer fertig und sputete sich, schnell zum Glockenspiel zu kommen.
Es war schon fünf vor zwölf. Die große Kirchturmglocke war etwas nervös. Am heutigen Weihnachtstag musste die Melodie sitzen. Gott sei Dank hatte sie bereits unzählige Male zugehört und konnte die kleine Glocke beinahe im Originalton ersetzen. Noch schöner war es allerdings, wenn das Glockenspiel komplett und perfekt aufeinander abgestimmt war. Um zwei Minuten vor zwölf machte sich die Kirchturmglocke bereit. Gleich würde es losgehen. Sie würde die kleine Glocke würdig vertreten. Plötzlich sah sie den Glockenbauer mit hochrotem Kopf und wehendem Schal über den Dorfplatz sprinten. Schnell lief er die hölzerne Wendeltreppe zum Glockenspiel nach oben und montierte die kleine Glocke an ihrem Platz. Kling. Klang. Klong. Die fröhliche Weihnachtsmelodie erklang in perfekter Harmonie. Dem Glockenbauer fiel ein Stein vom Herzen. Erschöpft machte er sich auf den Weg nach unten und gesellte sich zu den anderen Dorfbewohnern, die genau wie die große Kirchturmglocke beseelt den stimmungsvollen Klängen lauschten.