
Der kleine Hase Hopper hatte dieses Jahr nur einen Weihnachtswunsch. Er wollte gerne ein bisschen mutiger sein. Etwas war allerdings untertrieben. Er wollte sehr viel mutiger sein. Denn während seine Freunde im Winterwunderwald die tollsten Abenteuer erlebten, hoppelte er meist schon nach den ersten Metern zurück in den warmen Hasenbau, um es sich bei Mama und Papa Löffel gemütlich zu machen.
Der Hasenbau erstreckte sich unter einem sanften Feldhügel, der an den rauschenden Flockenbach grenzte. Um in den Winterwunderwald zu gelangen, musste man diesen überqueren. Doch es gab keine Brücke und wer hineinfiel, wurde vom reißenden Nass davongetragen. Selbst gute Schwimmer wie Dachs Domino und Kröte Karl warnten davor, zu nah am Fluss zu spielen. Doch Hoppers Freunde kümmerten sich nicht um die Mahnungen. Für sie war das Überqueren des Flockenbachs kein Problem. Die Spatzenkinder Piccolo und Primo waren nach drei Flügelschlägen auf der anderen Seite. Und auch Rehkitz Romy hatte keine Probleme, das andere Ufer zu erreichen. Sie brauchte nur etwas Anlauf und landete mit einem Satz leichtfüßig auf der anderen Seite des Flockenbachs. Hopper konnte zwar auch gut springen, aber mit einem Satz würde er es nie über den Flockenbach schaffen und die Steine, die aus dem Wasser ragten, waren viel zu glitschig. Bestimmt würde er auf ihnen ausrutschen und in den Bach fallen. „Bis später, kleiner Hasenfuß“, riefen ihm seine Freunde kichernd zu und verschwanden im Winterwunderwald, während Hopper traurig zurückblieb.
Doch damit sollte nun Schluss sein. Er wollte nicht mehr ängstlich nach Hause laufen, sondern stark und mutig in die weite Welt hinaushoppeln. Also hüpfte Hopper voller Zuversicht ins Arbeitszimmer von Papa Löffel, holte aus der Schublade des dunkelbraunen Kastanienschreibtisches ein dickes weißes Blatt Papier und schrieb darauf: „Liebes Christkind, dieses Jahr wünsche ich mir nur ein Geschenk – und zwar eine Extraportion Mut. Wenn du mir ein Päckchen davon unter den Weihnachtsbaum legen könntest, wäre ich dir unendlich dankbar. Dein kleiner Hase Hopper“. Er faltete das Blatt sorgfältig in der Mitte und steckte es in einen passenden Umschlag. Darauf schrieb er „An das Christkind“. Jetzt musste er den Brief nur noch bei der Amselpost abgeben. Damit der Wunschzettel aber noch rechtzeitig vor Weihnachten beim Christkind ankam, musste er ihn spätestens am nächsten Tag abschicken. Frau Amsel hatte den kleinen Hasen mehrmals darauf hingewiesen.
Als Hopper am nächsten Morgen erwachte, war die kühle Wintersonne bereits über dem Winterwunderwald aufgegangen. „Oh nein, ich habe verschlafen!“ Der kleine Hase schnappte sich seinen Wunschzettel, eilte damit nach draußen und suchte den Himmel nach Frau Amsel ab. Feldmaus Fredi sah, wie der kleine Hase mit dem Brief aufgeregt von einer Pfote auf die andere hopste. „Suchst du Frau Amsel? Sie ist gerade über dem Flockenbach in den Winterwunderwald abgebogen. Wenn du gleich losläufst, kannst du sie vielleicht noch erwischen.“ Ohne nachzudenken, hoppelte der kleine Hase los. Der Flockenbach rauschte in gewohnter Geschwindigkeit an ihm vorbei. Doch Hopper hatte keine Zeit zu verlieren, er musste Frau Amsel einholen, damit sie seine Weihnachtspost zum Christkind bringen konnte. Also konzentrierte er sich auf die kleinen Felsvorsprünge, die aus dem Flockenbach ragten, sprang geschickt von einem zum anderen, erreichte das gegenüberliegende Ufer und eilte so schnell er konnte direkt in den Winterwunderwald. Er hastete über dicke Wurzeln und moosbewachsene Baumstämme, schlängelte sich durch knorriges Dickicht, den Blick stets nach oben gerichtet. Plötzlich spürte er einen dumpfen Aufprall. Vor seinen Augen wurde es schwarz, er taumelte und landete mit seinem Hinterteil auf dem eisigen Waldboden.
„Hopper, kannst du mich hören? Bist du verletzt?“ Der kleine Hase schlug die Augen auf. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass er mit Rehkitz Romy zusammengestoßen war. „Mir geht es gut. Nichts passiert. Ist bei dir alles in Ordnung?“ „Ja. Aber du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. So schnell, wie du in mich hineingehoppelt bist, dachte ich, ein wild gewordener Waschbär greift mich an.“ Piccolo und Primo, die das Unglück aus der Luft beobachtet hatten, landeten nun neben den beiden. „Was machst du denn hier?“, wollten die Spatzenkinder wissen. „Ich wollte Frau Amsel einholen, um ihr meinen Wunschzettel für das Christkind mitzugeben. Das werde ich jetzt nicht mehr schaffen. Das war’s dann wohl mit einer Extraportion Mut.“ Hopper klang zerknirscht. „Ich wollte doch nur so furchtlos sein wie ihr, mit euch in den Winterwunderwald kommen und spannende Abenteuer erleben.“ Der kleine Hase trat verzagt gegen einen Tannenzapfen.
Plötzlich sprangen Romy, Piccolo und Primo jubelnd um Hopper herum. Hopper war sauer. Warum mussten sie sich immer über ihn lustig machen? „Aber wir machen uns nicht über dich lustig. Wir freuen uns mit dir.“ Der kleine Hase verstand nicht, was seine Freunde ihm mitteilen wollten. „Du bist doch jetzt mit uns im Winterwunderwald. Und dann hast du auch noch ganz allein die Verfolgung von Frau Amsel aufgenommen. Na, wenn das kein richtig mutiges Abenteuer ist …“ Die drei Freunde klopften Hopper anerkennend auf die Schulter. Und mit einem Mal wurde dem kleinen Hasen klar, dass sein Weihnachtswunsch schon in Erfüllung gegangen war.
Inspiriert wurde diese Geschichte durch den Namen „Hopper“, den meine kleine Nichte Leonie ihrem Schnuller gegeben hat.