„Rudi, pass auf!“, rief der Weihnachtsmann, doch da war es schon zu spät. Der Schlitten verkantete sich und der Weihnachtsmann wurde in hohem Bogen von seinem Gefährt geschleudert. Doch er landete nicht, wie befürchtet, auf hartem Eis und Schnee – schlimmer noch, er landete überhaupt nicht. Der Weihnachtsmann fiel und fiel und fiel. Im freien Fall verlor er das Bewusstsein und kam erst wieder zu sich, als er endlich auf festem Boden landete. Der Weihnachtsmann öffnete die Augen, doch bevor er sich orientieren konnte, begann sich der Boden zu bewegen und er rutschte kopfüber eine gigantische Rutsche hinab. Er war unglaublich schnell unterwegs. Als er unten auf der buckeligen Plattform ankam, blieb er aufgrund seiner Geschwindigkeit nicht liegen, sondern schoss wie eine Rakete direkt darüber hinaus. Plötzlich war der Weihnachtsmann wieder in der Luft. Er ruderte mit Armen und Beinen und landete mit einem lauten „Neeeeeeeeeeeein!!!“ bäuchlings im Wasser. Bevor er sich aufrappeln konnte, hob er schon wieder ab. Nach wenigen Sekunden hatte er eine stabile Höhe erreicht und baumelte wie ein Käfer mindestens 50 Meter über dem Boden in der Luft.

Der Weihnachtsmann blickte sich um. Tropische Pflanzen, riesige Mammutbäume, ein idyllisches Flussbett und ein paar Langhalsdinosaurier. WAS? Dinosaurier? Das kann doch nicht sein! Der Weihnachtsmann rieb sich die Augen. Als er sie wieder öffnete, waren die Dinosaurier immer noch da. Das musste ein Traum sein. Oder er halluzinierte. Der Aufprall war wirklich hart gewesen, womöglich hatte er eine Gehirnerschütterung. Plötzlich bewegte sich der Kran, an dem er zu hängen schien. Er schwenkte nach rechts in Richtung eines Felsvorsprungs, der sich bedrohlich näherte. Doch anstatt wie befürchtet an der Felswand zu zerschellen, wurde der Weihnachtsmann behutsam auf dem Plateau abgesetzt. Immer noch verwirrt drehte er sich um und blickte plötzlich in das Gesicht eines weiteren Langhalsdinosauriers. Von Rutsche und Kran konnte also keine Rede sein. „Wer bist du denn?“, fragte der Dinosaurier mit neugierig funkelnden Augen. „Ich bin der Weihnachtsmann. Wo bin ich denn hier gelandet?“ „In der Urzeit. Du bist von ganz weit oben einfach aus dem Himmel gefallen. Ich habe dich aufgefangen.“ Der Dino lächelte stolz. „Das gibt’s doch nicht. In der Urzeit. Bei den Dinosauriern.“ Der Weihnachtsmann brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. „Ich muss unbedingt zurück in die Neuzeit. Dort ist bald Weihnachten und ich muss den Kindern ihre Geschenke bringen“, erklärte er. Der Dino wusste zwar nichts von Weihnachten und Geschenken, aber er verstand, dass der Weihnachtsmann wieder dorthin zurück musste, wo er hergekommen war. Dieser kleine Wicht würde hier im Land der Giganten nicht lange überleben. Er hatte Glück, bei den friedlichen Langhälsen gelandet zu sein. 

Der Dino überlegte kurz und stieß dann ein paar markerschütternde Rufe aus. Kurze Zeit später landeten drei Flugsaurier auf dem Felsvorsprung. „Wir brauchen eure Hilfe, liebe Flugsaurier. Der Weihnachtsmann ist von da oben aus dem Himmel gefallen und muss so schnell wie möglich zurück. Wisst ihr vielleicht, ob es da oben einen Ort gibt, der Neuzeit heißt?“ Die Flugsaurier berieten sich kurz. Dann wandte sich der älteste der drei Freunde an den Weihnachtsmann. „Bei einer meiner Entdeckungstouren habe ich da oben vor kurzem einen Spalt im Himmel entdeckt. Möglicherweise bist du da durchgefallen. Du kannst auf meinen Rücken klettern, ich bringe dich hin.“ Der Weihnachtsmann blickte den Langhals an, der ihm aufmunternd zunickte. „Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert“, stimmte der Weihnachtsmann zu. Also kletterte er mit einem etwas mulmigen Gefühl auf den Rücken des Flugsauriers. „Vielen Dank noch einmal, dass du mich aufgefangen hast, lieber Dino.“ „Gern geschehen. Viel Glück und fröhliche Weihnachten“, lächelte der Dino und sah zu, wie die beiden in den Himmel abhoben.

Der Weihnachtsmann musste sich ordentlich festhalten. Der Flugstil des Dinosauriers war um einiges rasanter als der von Rudi und den anderen Rentieren. Also klammerte er sich fest an dessen dünnen Hals. Er hatte keine Lust, noch einmal im freien Fall ins Saurierland zu donnern. Je höher sie kamen, desto kälter wurde es, und plötzlich roch der Weihnachtsmann den vertrauten Duft von Eis und frisch gefallenem Schnee. Es konnte nicht mehr weit sein. „Da oben ist der Spalt. Er ist allerdings zu schmal, als dass ich hindurchfliegen könnte“, rief der Flugsaurier und gab dem Weihnachtsmann ein Zeichen, sich bereit zu machen. „Wenn wir nahe genug sind, gebe ich dir einen Schubs und du springst durch den Spalt nach oben.“ „Du schaffst das!“, sprach sich der Weihnachtsmann selbst Mut zu, ehe ihn der Flugsaurier mit einem gewaltigen Flügelschlag durch den Spalt katapultierte. Der Weihnachtsmann landete kopfüber in einem Schneehaufen. Als er sich den Schnee vom Mantel klopfte, kam auch schon Rentier Rudi angelaufen: „Weihnachtsmann, was ist passiert? Wo kommst du denn so plötzlich wieder her?“ Der Weihnachtsmann lachte: „Lieber Rudi, diese Geschichte würdest du mir ohnehin nie glauben …“

Inspiration für diese Geschichte war der Weihnachtswunsch meiner kleinen Nichte Leonie: „Einen Dinosaurier, bitte!“