Im glasklaren Grünaubach schwammen die kleine Forelle und der kleine silberne Fisch um die Wette. „Wer zuerst bei den algenbewachsenen Wurzeln ankommt, hat gewonnen“, rief die kleine Forelle und flitzte los. Der kleine silberne Fisch war ihr dicht auf den Fersen und nach wenigen Sekunden kamen beide gleichzeitig an ihrem Lieblingsplatz an. Plötzlich hörten sie jemanden ganz laut „Stoooopp!“ rufen. Es war der große und meist schlecht gelaunte silberne Fisch. „Was ist denn mit euch beiden los? Wisst ihr denn nicht, dass ihr mit eurem Unfug den Weihnachtszauber stört?“ „Den Weihnachtszauber?“, fragten die beiden kleinen Fische verdutzt. Doch da war der griesgrämige silberne Fisch auch schon wieder davon geschwommen. „Hast du schon mal was vom Weihnachtszauber gehört?“, fragte der kleine silberne Fisch die kleine Forelle. Doch die schüttelte energisch den Kopf. „Nein, davon habe ich noch nie etwas gehört. Aber ich weiß, wer uns sagen kann, was das ist. Komm mit!“, rief die kleine Forelle. Rasch schlug sie einmal kräftig mit der Schwanzflosse und schwamm so schnell sie konnte flussabwärts. 

Der kleine silberne Fisch hatte Mühe, der kleinen Forelle zu folgen, aber er wollte auf keinen Fall zurückbleiben. Endlich war auch er groß genug, um das Flussbett zu verlassen und spannende Abenteuer zu erleben. Also heftete er sich an die kleine Forelle. Es dauerte nicht lange und die beiden erreichten den hölzernen Wasserfall. Die kleine Forelle kannte bereits den Weg nach unten und steuerte auf eine Lücke zu, durch die die beiden nach unten flitzen konnten. „Pass auf die rostigen Nägel auf!“, rief die kleine Forelle ihrem Freund zu. Geschickt wichen die beiden den spitzen Hindernissen aus und wurden nach wenigen Sekunden in das große, kühle Wasserbecken unter dem hölzernen Wasserfall gespült. 

Schnurstracks schwamm die kleine Forelle zu dem großen Stein, unter dem Herr Flusskrebs lebte. Der war gerade dabei, seine wunderschönen bunten Blubberbläschen nach Größe und Farbe zu sortieren. „Hallo kleine Forelle! Wie schön, dich wiederzusehen“, rief Herr Flusskrebs. „Wen hast du denn da mitgebracht?“ „Das ist mein guter Freund, der kleine silberne Fisch. Wir sind auf der Suche nach dem Weihnachtszauber. Können Sie uns sagen, was das ist und wo wir ihn finden können?“, sprudelte es aus der kleinen Forelle heraus. Herr Flusskrebs lächelte. Die kleine Forelle überraschte ihn immer wieder mit ihren abenteuerlichen Ideen. „Hmmm, das ist eine gute Frage, meine kleine Forelle. Aber den Weihnachtszauber kann man nicht finden, den muss man erleben.“ „Ohhh, und wo können wir ihn erleben?“, fragte der kleine silberne Fisch aufgeregt. 

Herr Flusskrebs antwortete nicht, sondern versteckte flink seine Blubberbläschen unter dem großen Stein. „Folgt mir!“, deutete er den kleinen Fischen und machte sich auf den Weg flussabwärts. „Wo schwimmen wir denn jetzt hin?“, wollte die kleine Forelle wissen. „Zur weisen, alten Schnecke, die in den Sprudelbecken wohnt“, antwortete Herr Flusskrebs. Die kleine Forelle freute sich. Seit ihrer letzten Abenteuerreise zum Forellenhof hatte sie die weise alte Schnecke nicht mehr gesehen. Einen Weihnachtszauber hatte sie in den Sprudelbecken allerdings nicht gesehen – dafür aber jede Menge schillernde Blubberbläschen. „Ob der Weihnachtszauber auch so schön ist?“, fragte sich die kleine Forelle. Bald würde sie es wissen. 

Bei den Sprudelbecken angekommen, machten sich die drei Abenteurer auf die Suche nach der weisen alten Schnecke. Der kleine silberne Fisch entdeckte die leuchtende Schnecke auf dem Grund des ersten Sprudelbeckens. „Hallo liebe weise alte Schnecke“, grüßte die kleine Forelle. „Wie schön, Sie wiederzusehen! Das sind meine Freunde, Herr Flusskrebs und der kleine silberne Fisch“, stellte die kleine Forelle ihre Freunde vor. „Ohhh, das freut mich aber, dass ihr mich besucht. Was führt euch denn hierher?“ „Wir sind auf der Suche nach dem Weihnachtszauber. Können Sie uns sagen, was das ist und wo wir ihn finden können?“, fragten die beiden kleinen Fische. „Den Weihnachtszauber kann man nicht finden, den muss man erleben“, lächelte die weise alte Schnecke und Herr Flusskrebs nickte zustimmend. „Ja, aber woher wissen wir, wann wir ihn erleben?“, wollten die beiden kleinen Fische wissen. „Ihr werdet es schon merken“, antwortete die weise alte Schnecke.

Einen kurzen Augenblick später tummelte sich plötzlich etwas an der Oberfläche des Sprudelbeckens. Gespannt blickten alle nach oben. Es waren Helga und Hubert aus dem Forellenhof, die im Eiltempo auf die kleine Forelle zuschwammen und sie freudig umarmten. „Kleine Forelle, da bist du ja. Ach, wie ist das schön, dich wieder zu sehen“, jubelten Helga und Hubert. „Wir wollten dir frohe Weihnachten wünschen!“ Noch bevor die verdutzte kleine Forelle antworten konnte, tauchten plötzlich ihre Verwandten aus dem hohen Norden, gefolgt von einem Schwarm kleiner silberner Fische, aus dem Grünaubach im Sprudelbecken auf. „Fröhliche Weihnachten“, riefen die Fische im Chor. Der kleine silberne Fisch und die kleine Forelle waren überwältigt. Plötzlich waren alle ihre Lieben an einem Ort versammelt. Etwas Schöneres hätten sie sich nicht wünschen können. „Das muss der Weihnachtszauber sein“, waren sich die beiden kleinen Fische sicher und blickten hoffnungsvoll zu Herrn Flusskrebs und zur weisen, alten Schnecke, die ihnen zufrieden zunickten.

Als Grundlage für diese Geschichte diente mein erstes Kinderbuch „Die kleine Forelle“, das ich meiner Nichte Leonie 2019 zur Traufe geschenkt habe. Inspiration dafür war die wunderbare Zeit, die ich als Kind mit meiner Familie in Grünau im Almtal verbringen durfte.

Im Bild die Sprudelbecken und der hölzerne Wasserfall.